Zwischen Bewusstheit, Beziehung und Resilienz – Gedanken aus einem zähen Schulungstag
- Eleonore Hasler
- 11. Okt.
- 3 Min. Lesezeit
Heute war einer dieser Tage, die einfach so dahinplätschern. Viel Inhalt, viele Stimmen, viele Gedanken – und doch blieb etwas Leerraum in mir. Vielleicht ist das manchmal so, wenn Themen nicht sofort fruchten, sondern innerlich nachwirken.
In einer Diskussion kam das Thema künstliche Intelligenz auf. Es hat mich an eine grundlegende Frage erinnert: Was macht eigentlich etwas menschlich? Vielleicht geht es weniger darum, wer etwas sagt oder schreibt, sondern mit welcher Präsenz und Energie es geschieht.
Diese Frage führte mich weiter – zu Beziehungen. In der Psychologie sprechen wir oft von Beziehungsdilemmata, von den Spannungen zwischen Nähe und Distanz, Vertrauen und Kontrolle. Oft laufen wir Menschen in alten Mustern, reagieren reflexhaft, ohne bewusst wahrzunehmen, was gerade wirklich in uns passiert. So wie Programme, die ablaufen, ohne dass jemand innehält und spürt: „Was brauche ich gerade wirklich?“
Wenn das Kind in uns spricht
Besonders deutlich wird das im Umgang mit Kindern. In Gruppen höre ich oft, dass Kinder sich „anders verhalten“ sollen – ruhiger, angepasster, „richtiger“. Doch Kinder reagieren nicht falsch. Sie reagieren so, wie sie es im Moment können. Wenn sie in Stress geraten, übernimmt das Stammhirn. Alte Reflexe – Kampf, Flucht oder Erstarrung – bestimmen das Verhalten.Erst wenn der Stress sich löst und Sicherheit spürbar wird, kann das Kind sich öffnen, zuhören, in Kontakt treten.
Und eigentlich ist das bei uns Erwachsenen nicht anders. Auch wir reagieren oft reflexartig – besonders im Umgang mit unseren eigenen Kindern oder nahen Menschen. Wenn etwas in uns angetriggert wird, übernehmen alte Muster, die tief in uns gespeichert sind. Dann handeln wir, bevor wir denken, und wundern uns vielleicht später über unsere Reaktion.Gerade in solchen Momenten lohnt es sich, innezuhalten und hinzuspüren: Was hat mich da gerade berührt? Oft sind es unbewusste Erinnerungen, Gefühle oder Erfahrungen aus der eigenen Kindheit, die wieder auftauchen – Reflexe, die wir nicht einfach steuern können. Doch wenn wir beginnen, sie wahrzunehmen, statt sie zu verurteilen, entsteht ein Raum für Heilung und Bewusstheit.
Resilienz bedeutet für mich deshalb nicht, sich zusammenzureißen oder besser zu funktionieren, sondern die Fähigkeit, nach einer Anspannung wieder in die eigene Mitte zurückzufinden. Es geht um die Rückverbindung – zu sich selbst und zur Umwelt.
Auch in meiner Arbeit als Therapeutin spielt das eine zentrale Rolle. In jeder Behandlung bin ich präsent, offen, verbunden – und es gelingt mir meist, ganz beim Menschen zu sein, der mir gegenübersitzt. Ich schätze diese Begegnungen sehr, weil sie echt sind, unmittelbar, voller Leben.Doch heute war anders. Meine Gedanken sind immer wieder abgeschweift, wie kleine Wellen, die ans Ufer schlagen und wieder zurückziehen. Es war, als wollte mein Inneres irgendwo anders sein. Vielleicht braucht es solche Tage, an denen die Aufmerksamkeit sich verflüchtigt, um uns daran zu erinnern, dass auch Präsenz etwas Lebendiges ist – sie kommt und geht, wie der Atem.
Vielleicht geht es im Leben gar nicht immer darum, produktiv zu sein oder klare Ergebnisse zu haben. Vielleicht geht es darum, die Phasen des Stillstands genauso anzunehmen wie die Momente der Bewegung. Es gibt Tage, an denen wir einfach nur dasitzen, zuhören, durchhalten. Und vielleicht sind genau diese Tage die, an denen unsere innere Erde leise etwas vorbereitet – etwas, das erst später sichtbar wird.
Wenn ich den heutigen Tag Revue passieren lasse, sehe ich, dass er doch etwas bewegt hat. Zwischen den Themen, Diskussionen und stillen Momenten tauchte eine einfache, aber kraftvolle Erkenntnis auf:Egal, ob wir mit Menschen, mit Gruppen oder mit neuen Technologien arbeiten – das Entscheidende bleibt, wie bewusst wir verbunden sind.
Vielleicht war der Tag also gar nicht so unproduktiv. Vielleicht war er einfach menschlich. Und das darf sein.
🌿 Eine Einladung zur inneren Ressource und zum Dialog
Manchmal hilft es, an solchen Tagen eine innere Ressource zu spüren – einen Ort in Ihnen selbst, an dem Sie sich gerade sehr wohlfühlen, auch wenn alles andere sich bewegt.
Eine Möglichkeit, diese Ressource bewusst wahrzunehmen, ist ein kurzer Körperscan:
Schliessen Sie die Augen und richten Sie die Aufmerksamkeit auf Ihren Körper.
Wandern Sie gedanklich von den Füssen über die Beine, den Rumpf, die Arme bis zum Kopf.
Spüren Sie, wo Sie Entspannung, Sicherheit oder Wohlbefinden wahrnehmen.
Lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit zu der Stelle, an der Ihre innere Ressource liegt – dort, wo Sie sich gerade besonders geborgen und stabil fühlen.
Verweilen Sie einen Moment dort, atmen Sie tief ein und aus, und nehmen Sie bewusst wahr, wie dieser Ort Ihnen Halt und Ruhe schenkt.
Ich lade Sie ein, kurz innezuhalten und sich zu fragen:Wo ist dieser Ort in mir, an dem ich mich sicher und geborgen fühle? Wie kann ich heute zu diesem inneren Ort zurückkehren, wenn Unruhe oder Stress auftauchen?
Wenn Sie mögen, teilen Sie es gerne. Manchmal entsteht genau in diesem Austausch etwas Neues, etwas Menschliches, das uns alle trägt.
Herzliche Grüsse
Eleonore Hasler
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